Hier schreibe ich über meine Erlebnisse und Erkenntnisse im Zeitraum vom 8. Juli 2015 bis jetzt und möchte Euch ermutigen, mich per Mail oder telefonisch zu kontaktieren.
Mittwoch, den 8. Juli 2015
Geschafft, es ist Mittwochabend; an diesem heissen Tag ist alles sehr beschwerlich. Am Vormittag habe ich Unterricht in der Ausbildung zum Heilpraktiker. Es ist sehr warm im Raum, und meine Mitschülerinnen und ich haben sehr mit den hohen Temperaturen zu kämpfen. Am Abend sitze ich mit meiner Freundin so entspannt, wie es trotz der Hitze möglich ist, im Wohnzimmer. Wir schauen uns einen Film an, ich fühle mich unwohl. Ich habe starke Rückenschmerzen, vor allem im Schulterbereich und beschliesse, am nächsten Tag zur Dorn-Breuss-Massage zu gehen. Dazu soll es aber nicht mehr kommen - in dieser Nacht erleide ich einen Herzinfarkt.
Die Ereignisse der nächsten Tage sind nicht mehr in meinem Bewusstsein. Rückwirkend erfahre ich am Samstag, den 11. Juli, nachdem ich aus dem Koma erwacht bin, einen Bruchteil von dem, was sich in dieser Nacht ereignet hat.
Donnerstag, in den frühen Morgenstunden
Meine damalige Freundin und jetzige Frau, sie heisst Christina, wird in der Nacht gegen 0.30 Uhr von, wie sie annimmt, starken Schnarchgeräuschen wach. Sie merkt sofort, dass ich nicht mehr richtig atme und zieht mich geistesgegenwärtig an den Beinen aus dem Bett. Mein Gesicht hat sich schon bläulich verfärbt. Es geht um alles.
Unverzüglich beginnt sie mit der Reanimation; es strengt sehr an. Irgendwie gelingt es ihr, in einer kurzen Pause die Notrufleitstelle anzurufen. Das Glück will es, dass die diensthabende Notärztin in der gleichen Strasse wohnt, wie ich. Sie weiss sofort, wo der Notarztwagen hinfahren muss, und das Krankenhaus ist nicht weit weg. So ist das Notfallteam sehr schnell zur Stelle, übernimmt sofort und leitet weitere Massnahmen ein.
Nach über 45 Minuten Reanimation durch das Notfallteam bin ich soweit stabil, dass ich transportfähig bin. Währenddessen ist der Hubschrauber der Schweizer Rettungsflugwacht REGA bereits informiert. Ich werde in dieser Nacht nach Freiburg in die Universitäts-Herzklinik geflogen: Zunächst werde ich dort in den Schockraum gebracht und anschliessend auf die Intensivstation verlegt.
Samstag, den 11. Juli 2015
Die Zeit zwischen Mittwochabend und Samstag ist bis heute nicht in meinem Bewusstsein. Vieles erfahre ich durch Christinas Erzählungen und durch ihr Tagebuch der Ereignisse, das sie zu einem späteren Zeitpunkt für mich schreibt.
Als ich wieder aufwache, sagt Christina mir, dass ich mich auf der Intensivstation „Heilmeyer II“ der Uniklinik Freiburg befinde. Ich kann das nicht begreifen - immer wieder frage ich sie, wo ich mich befinde und was mit mir geschehen ist.
Bei meiner Ankunft am Donnerstag in den frühen Morgenstunden mit dem Rettungshubschrauber werden alle wichtigen Laborwerte bestimmt, und es zeigt sich, dass ich sehr hohe Werte an Katecholaminen, den Stresshormonen aufweise. Um mein Herz und Gehirn zu schonen, werde ich tief sediert, d. h. in ein künstliches Koma versetzt und auf 32 °C zur Hirnödem-Prophylaxe gekühlt. Diese Kühlung erfolgt über 24 Stunden, dann ist geplant, mich langsam wieder zu erwärmen, was bis Samstagmorgen dauern wird. Erst dann wird das künstliche Koma langsam ausgeschlichen.
Wenn alles wie geplant verläuft, werde ich voraussichtlich frühestens am Samstagnachmittag aufwachen, jedoch nicht wirklich ansprechbar sein. Sollte das Aufwachen verzögert oder möglicherweise gar nicht erfolgen, wird ein CT vorgenommen, um das Ausmass einer möglichen Hirnschädigung beurteilen zu können.
Notfallmässig wurden vier Stents in meine Herzkranzgefässe gelegt, da sich die Funktion meines Herzens auf der Intensivstation stark verschlechterte. Dadurch werden die feinen Gefässe nun wieder ausreichend mit Blut versorgt.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ergibt die kardiologische Untersuchung eine Herzleistung von etwa 30 Prozent. Ein gesunder Mensch verfügt über 50 bis 60 Prozent Herzleistung. Viele Dinge werden für mich demnach nicht mehr möglich sein, aber leben kann man damit durchaus. Aber es besteht auch die Hoffnung, dass sich mein Herz etwas erholen wird. Das kann aber dauern, teilweise bis zu einem halben Jahr.
Montag, den 13. Juli 2015
Ich werde auf die kardiologische Station "von Müller" verlegt und mir wird so langsam klar, dass in der Nacht zum Donnerstag für Christina und mich ein sehr einschneidendes Erlebnis stattgefunden hat.
Ich habe ein zweites Leben geschenkt bekommen.
Durch die Reanimation sind einige Rippen gebrochen bzw. angebrochen. Das tut natürlich beim Bewegen und Atmen weh.
Dienstag, den 14. Juli 2015
Heute kommt meine Tochter Judith von Würzburg direkt nach Freiburg. Ich freue mich sehr sie zu sehen. Sie besucht mich noch einige Male, was mir sehr hilft und gut tut.
In der Folgezeit kann ich auch schon mit einigen Freunden und Bekannten telefonieren. Alle sind froh und glücklich, dass es mir den Umständen entsprechend gut geht.
Eine Woche später – Bad Krozingen
Am 20. Juli werde ich in Freiburg entlassen und fahre mit dem Taxi direkt in die Rehaklinik nach Bad Krozingen. Christina wird die kommende Woche bei mir bleiben, um mit mir zusammen zu sein und um mich zu unterstützen. Gemeinsam versuchen wir das Beste aus der Situation zu machen.
Während des Reha-Aufenthaltes in Bad Krozingen steigere ich, angeleitet und überwacht von erfahrenen Therapeutinnen und Therapeuten, kontinuierlich meine Leistungsfähigkeit. Zu den Therapien gehört das tägliche Training auf dem Ergometer: Begonnen habe ich bei einer Leistung von 50 Watt, allmählich steigere ich sie bis auf 110 Watt.
Eine Sportgruppe vermittelt mir das Gefühl, nicht mit meinem Problem des Infarktes allein zu sein. Viele Menschen sind in einer ähnlichen Situation, auch jüngere Frauen und Männer sind vom Herzinfarkt betroffen.
Es strengt alles noch ziemlich an, aber ich merke, dass ich in der Lage bin, meine Leistung bei Ballspielen und Zirkeltraining langsam, aber stetig zu steigern.
Es gibt auch entspannende Momente während der der Therapie. So ist zweimal pro Woche eine Rückenmassage angesagt, und auch die Kneipp´schen Wasser-anwendungen im Badebereich sind toll: Sie fördern die Durchblutung im Arm- und Schulterbereich. Im Therapie- und Sportbereich gibt es zusätzlich noch ein Kneipp-Wassertretbecken, das ich mit Freude so oft wie möglich nutze.
Eine Psychotherapie ist ebenfalls angedacht, aber leider kommt es nur zu zwei Terminen. Nach und nach kehrt etwas Sicherheit in meinen Alltag ein, und das Vertrauen in mein Herz wächst langsam wieder. Eigentlich müsste es ja anders herum sein: Mein vernachlässigtes Herz muss erst wieder Vertrauen zu mir fassen, denn ich habe seine Warnsignale missachtet.
Wieder zurück in Waldshut werde ich mir eine Psychotherapiegruppe suchen, denn ich merke immer wieder, dass die Angst einen hohen Stellenwert einnimmt.
Christina kommt jeden Tag zu mir in die Klinik, sie ist mir eine große Hilfe und Unterstützung. Wir unternehmen kleinere und auch längere Spaziergänge, und ich bin so glücklich, sie an meiner Seite zu haben. Die gemeinsam verbrachte Zeit trägt natürlich auch zur Genesung bei.
Wir besuchen einen Kurs zur Seifenherstellung in der Klinik und gehen wöchentlich zum Tai Chi - Qi Gong. Nachmittags machen wir einen Spaziergang; zunächst schaffe ich es nur bis zur ersten Brücke im Kurpark, aber schnell können wir unsere Runde in den kommenden Wochen ausweiten.
Im Laufe der Zeit gehen wir in den Duftgarten, erkunden den gesamten Kurpark, bummeln bis in die Stadt, gehen ins Buchgeschäft oder sitzen einfach nur im Park und hören dem klassischen Kurkonzert zu. Abends sitzen wir häufig im Restaurant Eden auf der grossen Terrasse, trinken etwas und unterhalten uns, manchmal essen wir auch dort.
Donnerstag, den 26. Juli 2015
Wir feiern Christinas Geburtstag, es wird ein ruhiger Tag. An der Hochzeit von Freunden können wir nicht wie geplant teilnehmen, weil es für mich noch zu anstrengend ist.
Meine Schwester Uli und mein Schwager Rolf kommen für zwei Tage zu Besuch. Ich freue mich sehr beide wiederzusehen.
Mein Reha-Programm erweitert sich wöchentlich, ich mache schnell Fortschritte. Das tägliche Ergometerfahren macht mir so viel Freude, dass wir beschliessen uns in Waldshut gleich in der ersten Woche nach unserem Urlaub ein Ergometer zu kaufen.
Die Zeit geht dahin, insgesamt fünf Wochen bleibe ich in Bad Krozingen. Die Vorträge in der Klinik sind sehr spannend und der Leiter der Klinik, Prof. Dr. Holubarsch, sagte bei einem Vortrag, dass ein ehemaliger Patient der Klinik nach geraumer Zeit und intensiver Vorbereitung mit Freunden den Kilimandscharo bestiegen hat. Das beeindruckt mich sehr.
Die Ernährungsberatung während der Reha zeigt mir viele neue Möglichkeiten der alternativen Ernährung, und ich werde sie in den nächsten Wochen und Monaten umsetzen. Das Reha-Programm der Klinik legt insgesamt einen guten Grundstein für die kommende Zeit.
Samstag, den 22. August 2015
Heute fahren wir mit dem Zug in die Heimat von Christina nach Preussisch Oldendorf – unser Urlaub beginnt. Wir haben eine schöne Zeit zusammen und geniessen die einfachen Dinge: vor dem Frühstück eine Walking-Runde drehen, mit Christinas Eltern reden, Freunde treffen, ausruhen, lesen, einfach da sein.
Wir sind sehr glücklich.
Die nächsten Wochen und Monate vergehen. Wieder in Waldshut mache ich regelmäßig mein Ergometertraining, welches ich von Woche zu Woche erweitere. Das Ergometer hat verschiedene Programme, das Kardiotraining ist sehr gut und hilft mir dabei meine Fitness moderat zu steigern. Gerade das ist ganz wichtig, denn Herzinfarkt-Patienten neigen dazu sich zu überschätzen.
Einmal in der Woche gehen wir zum Yoga in das Yogazentrum Waldshut zu Joachim. Wir sind jetzt mittlerweile fünf Jahre dabei, und der Yoga trägt ganz massgeblich dazu bei, körperlich und geistig fit zu bleiben.
Ein nicht unwesentlicher Aspekt meiner guten Rehabilitation ist der Umstand, dass ich nach über 40 Jahren Nikotinkonsum schon im Januar 2015 mit dem Rauchen aufgehört hatte. Nach einer erfolgreichen Hypnose konnte ich sofort auf die Zigaretten verzichten. Dieser Umstand ist mein großer Vorteil denn ich habe ein wichtigen Risikofaktor ausgeschlossen.
15. Januar 2016
Für zwei Tage muss ich in erneut in die Uniklinik Freiburg; dort wird eine Herzkathederuntersuchung durchgeführt Sie dient der Kontrolle, ob die eingesetzten Stents durchlässig sind und zur Vorbeugung eines erneuten Infarktes.
Es wird noch ein Stent gesetzt und ein vorhandener durch einen Ballonkatheder geweitet. Die Medikamente, die ich in der Reha verordnet bekommen habe, werde ich noch weiternehmen müssen.
Anfang Mai sind sehr gute Freunde aus Bielefeld zu Besuch, um ein paar Tage zu entspannen. Sie haben einen tollen Wanderführer für den Südschwarzwald dabei. Wir suchen gemeinsam eine Tour heraus und starten diese gemeinsam. Während der Tour und am Abend sind Christina und ich so angenehm überrascht über die gute Wirkung, dass uns die Wanderleidenschaft bis heute gepackt hat.