Seit längerem machen wir unsere Wandertouren während der verschiedenen Jahreszeiten.
Wir geniessen es draussen zu sein und die Freiheit zu haben die Zeit fliessen lassen zu können. Immer häufiger drängt sich nun ein Gedanke in den Vordergrund: Wie wäre es am Abend nicht wieder nach Hause zurückzukehren, sondern zu bleiben und die Nacht im Freien zu verbringen?
Als Kind war eine Nacht im Zelt ein Abenteuer – dieses Gefühl wollen wir wiederhaben! Aber es gibt auch ein gewisses Unbehagen nach den Ereignissen vor vier Jahren. Dennoch ist die Abenteuerlust gross, und der Wunsch es zu versuchen hilft uns mutig zu sein. Wir lesen viel zu dem Thema und tauschen uns mit Menschen aus, die regelmässig wandern und im Freien übernachten.
Da wir allerdings nicht sicher sind, ob es ein dauerhaftes Vergnügen wird, suchen wir eine einfache Möglichkeit des Testens… und entscheiden uns für eine Nacht in einem Baumzelt. Offensichtlich ist der Wunsch nachts outdoor zu verbringen mittlerweile auch für viele andere Menschen ein Thema geworden – es gibt ein grosses Angebot an Baumzelten, Baumhäusern, Jurten, Bubble tents und viele andere Möglichkeiten. Wir entscheiden uns für ein Baumzelt in den Glarner Alpen. Im schönen Braunwald wollen wir auf ca. 1.500 Metern wandern und in einem Waldcamp übernachten.
Der Kanton Glarus liegt im östlichen Teil der Schweiz und grenzt an die Kantone Graubünden, St. Gallen, Schwyz und Uri. Glarus ist zugleich die grösste Gemeinde und Stadt des Kantons. Das im südlichen Teil des Kantons gelegene Braunwald befindet sich oberhalb von Linthal auf einer Bergterrasse mit wunderbarem Blick auf Tödi, Ortstock und Eggstöcke.
Mit einer Standseilbahn geht es von Linthal hoch in das autofreie Braunwald auf 1.256 Metern. Von Braunwald wiederum fährt eine Gondelbahn hoch zum Grotzenbüel, einem grossen Wandergebiet auf dem Hüttenberg, wir entscheiden uns aber für den Fussweg hinauf. Obwohl wir kein Zelt dabei haben, wiegen die Rucksäcke einiges, denn schliesslich sind wir gut gerüstet für die Nacht. Mit Isomatten, Schlafsäcken, Proviant und Gaskocher wollen wir der nicht eben warm vorausgesagten Sommernacht trotzen.
Mit nur einem und deutlich leichteren Rucksack erkunden wir nun die Gegend. Das Wandergebiet Grotzenbüel ist gross, wir könnten mit dem Sessellift oder zu Fuss auf den Gumen, wo laut den Einheimischen die Alpenrosen blühen, in den Zauberwald oder zum Oberblegisee. Da es mittlerweile aber schon auf den Abend zu geht, entschliessen wir uns zunächst essen zu gehen und später eine Abendwanderung zu machen – zum Glück hat «Alexanders Tödiblick» geöffnet. Das Restaurant ist ungefähr eine Viertelstunde vom Camp bergab entfernt.
Die Glarner Küche ist bodenständig und herzhaft, vor allem der Schabziger, eine typische Käsespezialität der Region hat es uns angetan. Der Geruch wird uns noch tagelang in der Nase sein.
Satt und zufrieden wandern wir nach dem Essen wieder hinauf, zunächst ins Camp und dann weiter auf den Wegen oberhalb der Chämistube. Es ist friedlich und etwas surreal hier zu sein. Ausser den Kuhglocken der Alpenkühe und etwas abendlichem Vogelgezwitscher ist nichts an Geräuschen zu hören. Mit Einbruch der Dämmerung kehren wir um in Richtung des Camps.
Mit unserem neuen transportablen Wasserschlauch holen wir Wasser aus einem kleinen Bach, um es auf unserem Gaskocher zu erhitzen. Die Kräuter, die wir für unseren Abendtee gesammelt haben, sind plötzlich nicht mehr auffindbar, sodass wir nur unsere Wärmflaschen befüllen. Das erweist sich später in der Nacht als vorausschauend, da es doch recht kalt wird.
Als wir schliesslich das Licht unserer Lampen löschen, ist es mehr als dunkel. Das Mondlicht erreicht das Zelt nicht, so dass, auch nachdem sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, kaum etwas zu erkennen ist. Die Finsternis hat etwas Beklemmendes, es ist sehr still, nur das Rauschen des Baches ist zu hören. Weil der Zelteingang in der Mitte ist, können wir nicht nebeneinander liegen; daher müssen wir uns an den Rändern positionieren, was etwas beschwerlich ist. Die diversen mitgebrachten Utensilien rutschen immer wieder zum tiefsten Punkt, also ebenfalls in die Zeltmitte – all das gestaltet das Nachtlager als eher unruhig. So entschliessen wir uns dazu das Licht einer Taschenlampe wieder anzumachen, und tatsächlich hilft uns das bald einzuschlafen. Nur einmal wachen wir auf, um das Zelt bei Dunkelheit zu verlassen, weil leider die Blase drückt…
Alles in allem schlafen wir aber erstaunlich gut und werden erst am Morgen gegen sieben Uhr geweckt. Von allen Seiten scheinen die Glocken der Milchkühe zu klingen, und zwar ziemlich laut, aber irgendwie auch idyllisch.
Schnell ist mit dem Kocher der Morgenkaffee zubereitet, was ein wahrer Genuss ist. Einzig die Morgensonne fehlt – sie strahlt zwar bereits hell, aber bis in die Waldsenke reicht sie dann doch nicht.
Erneut entschliessen wir uns in «Alexanders Tödiblick» zu gehen, um dort zu frühstücken. Nach Zähneputzen und Katzenwäsche mit eisigkaltem Bachwasser packen wir alles wieder sorgfältig in unsere Rucksäcke und machen uns auf den Weg.
Das Frühstück auf der Sonnenterrasse ist mindestens genauso gut wie das Abendessen. Die Bergspitze vom Tödi liegt noch im Dunst, der Ausblick ist dennoch sensationell. Das Buffet ist reichhaltig und lecker, und wir können sogar einen Rucksack, unsere Schlafsäcke und die Isomatte vorübergehend im Restaurant lassen, damit das Wandern leichter wird.
Es ist ein warmer und sonniger Tag. Mit einem Rucksack, den wir wechselweise tragen, machen wir uns auf den Weg zum Oberblegisee. Der Weg dorthin geht an blühenden Bergwiesen, weidenden Alpenkühen und Käsereien vorbei. Immer liegt der typische Geruch des Weideviehs, von Kuhdung und der Blumen und Kräuter in der Luft – ein Geruch, der sich im Schabziger Käse wiederfindet. Die Glocken der weidenden Kühe klingen, die Bergluft ist klar, der Tag verspricht herrlich zu werden. Zunächst laufen wir alleine durch die Alpenidylle, nach und nach kommen uns aber auf dem Weg immer mehr Menschen entgegen. Vor allem das letzte Stück entpuppt sich als wahre Völkerwanderung.
Kurz vor dem Ziel ist es dann doch genug – Oberblegisee hin oder her – wir entschliessen uns umzukehren, auch ohne den See gesehen zu haben. Auch mit deutlich weniger Befüllung ist der Rucksack schwer, der Weg mit diversen Auf- und Abstiegen versehen und die Motivation nicht mehr so gross. Uns sind einfach zu viele Menschen unterwegs, immer wieder kommen uns einzelne oder gruppenweise Wanderer auf den schmalen Wegen entgegen, gehen an uns vorbei, weil wir langsamer sind, oder wir überholen, weil wir schneller laufen.
Also geht es zurück nach Braunwald. Wir holen unsere Sachen vom Restaurant und fahren mit der Standseilbahn nach Linthal zurück. Es waren zwei wunderbare Tage in den Bergen; das werden wir sicher wiederholen, das nächste Mal mit eigenem Zelt!