Die vergangenen Tage waren von sehr wechselhaftem Wetter geprägt - heftige Gewitter, starker Regen, gleissende Sonne, plötzliche Temperaturabfälle. Wir befürchteten schon, dass unser Wochenendtrip ins Wasser fallen würde, denn unser Plan ist es eine Übernachtung in einem Schwebebett im Thurgau zu machen. Nun also sind wir hier, auf dem Biohof Hohlenstein in Au-Fischingen. Wir werden eine Nacht im Freien verbringen, aber auf eine luxuriöse Art und Weise: in einem sanft schaukelnden Himmelbett mit wärmenden Daunendecken.
Als wir auf dem abseits liegenden Hof ankommen, werden wir laut bellend von Hofhündin Momo begrüsst. Sie ist sogar auf Google Maps vermerkt und wird in den Besucherberichten als recht wehrhaft beschrieben. An der Hofeinfahrt hängen Schild und Wasserpistole mit dem Hinweis diese zur Abwehr zu benutzen. Tatsächlich ist Momo aber einfach eine sorgfältige Bewacherin des Hauses und kann später mit einigen Leckerlis und Streicheleinheiten besänftigt werden.
Bei unserer Ankunft werden wir von Selina, die als Saisonangestellte für die Gästebetreuung auf dem Hof arbeitet, freundlich in Empfang genommen. Der Hofbesitzer Sepp lebt hier und bewirtschaftet den Hof, sein Sohn Joe ist zur Zeit in Ausbildung zum Landwirt und wird die Nachfolge übernehmen. Sepps Sohn David ist auch vorübergehend auf dem Hof und bewirtet Gäste. Alle sind sehr zuvorkommend und aufgeschlossen, und wir fühlen uns sehr willkommen.
Der Nachmittag liegt noch vor uns, und nach einem ersten Blick auf unsere Schlafstatt machen wir uns mit einem kleinen Rucksack auf dem Thurgauer Tannenzapfenweg nach Fischingen, um das dortige Benediktinerkloster zu besuchen. Das um 1138 gegründete Kloster wird von einer Ordensgemeinschaft geführt, die neben ihrem klösterlichen Lebensrhythmus und der Seelsorge in den umliegenden Orten ein Seminarhotel mit Restaurant betreiben. Ausserdem gibt es auf dem Gelände eine Brauerei, die Pilgrim, ein Craft-Bier mit besonderen Aromen und Wasser aus der Klosterquelle braut.
Das Kloster und die Barockkirche, die der Heiligen Idda geweiht ist, liegen auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Hier können sich Pilger den Segen für den Weg sowie das Pilgerabzeichen geben lassen.
Vor uns liegt zum Glück keine 2.300 km-Wegstrecke, aber etwas anstrengend wird es auch für uns. Zunächst geht es steil aufwärts auf den 991 Meter hohen Grat, der höchsten Erhebung im Thurgau und anschliessend auf schmalen Wegen durch den Wald wieder abwärts. In Ortenegg, einer weiten Lichtung mit einer stattlichen Mariensäule, pausieren wir einen Moment und geniessen den besonderen Kraftort mit seinem fantastischen Blick in Richtung Bodensee. Von dort führen einige Stufen hinunter in den Wald zu einer kleinen Marienkapelle, in der wir Kerzen anzünden.
Nach eineinhalb Stunden straffer Wanderung kommen wir in Fischingen an. Wir können nicht, wie erhofft, ins Gartenrestaurant auf dem Klostergelände, da es einer Hochzeitsgesellschaft vorbehalten ist. Freundlicherweise bekommen wir aber einen Platz ausserhalb des Restaurants und werden mit Kaffee und Schlorzifladen, einer Toggenburger Spezialität bewirtet. Die Birnenwähe schmeckt fein, und nach der kleinen Stärkung geht es dann wieder zurück nach Hohlenstein.
Wir überwinden insgesamt 538 Höhenmeter - die Strecke ist zeitweilig durchaus fordernd, aber gut zu bewältigen. Als wir nach mehr als zwei weiteren Stunden wieder auf dem Hof ankommen, werden wir von Sepps Sohn David in Empfang genommen, der uns mit hausgemachtem Süssmost bewirtet.
Für den Abend haben wir mit der Reservierung des Bettes bei Selina einen Grillkorb bestellt, auf den wir uns jetzt sehr freuen. Sepp führt uns zur Grillstelle am Waldrand, an der wir unsere Picknickdecke ausbreiten und unser Feuer entfachen. Nach der Tour schmecken die grillierten Würste, Maiskolben, Kartoffeln und das Gemüse, dazu das Pilgrimbier, besonders köstlich.
Gegen neun Uhr gehen wir zum Hof zurück, duschen und bekommen noch ein Betthupferl sowie Gute-Nacht-Wünsche mit auf dem Weg. Das Schwebebett steht ca. 100 Meter entfernt vom Hof auf einer grossen, von Sepp noch am Abend teilweise gemähten Wiese. Der Blick auf die Appenzeller Berge und den Säntis ist leider diffus, über den Berge hängen Wolken. Wir sind zuversichtlich, dass sich das Wetter dennoch halten wird.
Langsam geht die Sonne am westlichen Himmel unter, und der Abend senkt sich über die Wiese. Unser Bett hängt an einer Holzkonstruktion und schaukelt sanft, weiche Kissen und Decken warten darauf, dass wir uns ausstrecken – endlich… Über uns leuchten erste Sterne auf, die zahlreichen Kühe und Ziegen auf den umliegenden Wiesen sind an ihren Glocken zu hören. Das Geläut hat durchaus etwas Meditatives, zudem duftet es nach frisch gemähtem Gras und Heu, so dass wir innerlich ganz ruhig werden. Wir haben zwar am Bett batteriebetriebene Nachtischlampen, aber der Sternenhimmel ist so schön, dass wir gar nicht lesen mögen. Irgendwann schlafen wir ein und wachen gegen Mitternacht mit dem Aufgang des Mondes auf. Er leuchtet sehr hell, obwohl er bereits wieder abnehmend ist. Im Laufe der Nacht wandert der Mond über den südlichen Himmel und sorgt dafür, dass alles gut sichtbar ist.
Das Bett ist wunderbar bequem, zu keinem Zeitpunkt ist es kalt oder unangenehm. Wir haben vorsichtshalber Schlafsäcke mitgebracht, aber eigentlich sind sie völlig überflüssig. Am frühen Morgen weckt uns die Morgenröte, wir schlafen aber noch einmal ein. Bald aber werden wir durch die hellen Sonnenstrahlen wach. Die Wiese ist feucht und lockt uns zum Taulaufen. In einiger Entfernung steht unser Wiesenhüsli, eine aus Holz gezimmerte Kompost-Toilette, das wir auch gleich nutzen.
Um halb neun, wie vereinbart, kommt Selina und tischt uns das reichhaltige Z‘Morge (Frühstück) auf, Sepp radelt mit seinem E-Bike über die Wiese, um uns Kaffee zu bringen. Und so tafeln wir wiederum köstlich im Sonnenschein mit Blick auf die Berge im Appenzeller Land. Im Gegensatz zum vorherigen Abend können wir den Säntis jetzt gut sehen. Mit 2.501 Meter ist er der höchste Berg im Alpstein und Teil der nordwestlichen Alpen. Er führt drei Kantonsgrenzen zusammen: Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden und St. Gallen.
Jetzt wird es schnell sehr warm, ein letztes Mal legen wir uns auf das wunderbare Bett und geniessen den Ausblick, dann geht es mit Sack und Pack zurück zum Hof. Wir verabschieden uns von dem wunderbaren Gastgeber Sepp, der fröhlichen Celine und der mittlerweile recht zahmen Momo. Hierhin werden wir ganz sicher noch einmal zurückkehren, und das nächste Mal bringen wir gleich Leckerli mit: Momo ruggele!