Herzgesund durch Wandern
Auf dieser Seite möchte ich Ihnen, liebe Gäste, ausgewählte Wanderungen vorstellen. Sie wurden von Christina und mir gegangen und sind für jedermann der sich fit genug fühlt, nachzumachen.
Auf der Suche nach einem neuen Abenteuer zieht es uns mal wieder in die Berge. Vor uns liegt ein Wochenende auf einer Alp im westlichen Berner Oberland.
In diesem Frühjahr hat es viel geregnet, und auch für die kommenden Tage lässt die Wettervorhersage nichts Gutes erwarten – ausgiebiger Regen und kalte Temperaturen laden nicht unbedingt zu Bergwanderungen und Übernachtungen in einer Alphütte ein. Einige Tage zuvor hatten wir überlegt, unseren Aufenthalt aufgrund der unbeständigen Wetterlage zu verschieben, was aber mit entsprechenden Kosten verbunden wäre; also beschliessen wir es so zu nehmen, wie es kommt.
Unweit des Thuner Sees starten wir in der Gemeinde Erlenbach im Simmental. Mit der Seilbahn geht es von der Talstation zunächst zur Mittelstation Chrindi auf 1.637 m. Vor unseren Augen breitet sich die idyllische Schönheit des Berner Alpenlandes aus – grüne Bergwiesen und ein leuchtendblauer See, der Hinterstockensee, der vor allem bei Anglern sehr beliebt ist. Von hier aus könnten wir am See entlang durch den Wald zur Oberstockenalp hinaufwandern, die nur zu Fuss erreichbar ist, entscheiden uns aber, mit einer weiteren Gondel zur Bergstation des Stockhorns zu fahren, um von dort abwärts zur Alp zu laufen.
Das Stockhorn ist mit 2.190 m der höchste Berg der Stockhornkette. Von der Sonnenterrasse des Bergrestaurants hat man einen beeindruckenden Blick auf die Berge der Schweizer Alpen, wie dem Titlis, dem Schreckhorn, dem Finsteraahorn und dem markanten Dreigestirn Eiger, Mönch und Jungfrau. Und auch das Wetter ist deutlich besser als erwartet, es ist angenehm mild und sonnig mit wenigen Wolken am Himmel.
Nach einer zünftigen Stärkung im Bergrestaurant machen wir uns auf den Weg zur Oberstockenalp, die am Südhang des Stockhorns auf 1.776 m liegt. Es gibt zwei Wege dorthin, über den hohen Strüssligrat oder die absteigende Südflanke des Berges. Wir entscheiden uns für die kürzere Route über die Südseite, die steil und steinig abwärts geht und benötigen deutlich länger als auf dem Wanderwegweiser angegeben. Mittlerweile hat auch das Wetter umgeschlagen, es wird windiger und kühler mit häufigen, kurzen Regenschauern. Nach knapp eineinhalb Stunden erreichen wir endlich unser Ziel und sind froh, wieder auf halbwegs ebenem Boden zu stehen – steiles Bergabwandern ist auf Dauer anstrengender als bergauf.
Die Alp ist seit Generationen im Besitz der Familie Bühler, die hier von Mai bis Oktober hauptsächlich von der Milchwirtschaft lebt. Gemeinsam mit einigen Festangestellten und Helfern versorgen sie 20 Milchkühe, welche ab Mitte Juni von der tiefer liegenden Vorweide aufgetrieben und gesömmert werden, d.h. die Sommermonate auf der Alp verbringen. Aus der Milch werden auf der Alp verschiedene Käsesorten und andere Produkte hergestellt, wie Mutschli, ein Hartkäse, Weich- und Hobelkäse sowie Butter und Nidletäfeli. Diese kennt man in anderen Regionen der Schweiz auch als Rahmtäfeli, kleine sahnige Caramellbonbons, die auf der Zunge zergehen. Hier auf der Alp sind sie besonders fein, ein süsser Traum aus Rahm und Butter der guten Milch der Simmentaler Kühe. Und nicht nur wir finden den Käse und die Nidletäfeli wunderbar – die Familie hat für ihre Produkte auf der Olma, der Schweizer Messe für Landwirtschaft und Ernährung zahlreiche Preise gewonnen.
Neben der Versorgung der Tiere und Käserei führen die Gastgeber einen kleinen Berggasthof mit zünftigem Speisen und verschiedenen Übernachtungsmöglichkeiten. Es gibt einfache Matratzen im Massenlager, das bis zu 30 Wanderfreudigen zur Verfügung steht, zwei schlichte Doppelzimmer sowie drei Sternenbetten im Freien, den Panorama-Bubbles.
Wir haben uns für eines der Doppelzimmer entschieden und werden die kommenden zwei Nächte im «Mieschflueh» verbringen, welches sich auf dem Speicher der Hütte befindet. Die einfache Waschgelegenheit mit kaltem Wasser und die Toilette wird von allen auf der Alp benutzt: den Familienangehörigen, Angestellten und Übernachtungsgäste des Massenlagers. Die Gastgeberin warnt uns gleich vor, dass die Nächte kalt seien, aber wir gerne eine Bett- oder Wärmflasche haben könnten. Und in der Tat sinken die Temperaturen nachts deutlich ab, was uns aber dank der Wärmflaschen nichts ausmachen wird.
Das Nachtessen wird um halb sieben in der Gaststube serviert, ausser uns ist noch ein weiteres Paar auf der Alp, heute können wir von der Speisekarte wählen. Alle Gerichte werden in der kleinen Alpküche zubereitet, und auch die Gastfamilie und Angestellten essen in der Stube. Wir entscheiden uns für den reichhaltigen Oberstockenalpteller, einer gemischten kalten Platte mit verschiedenen Fleischsorten und den hausgemachten Käsesorten.
Da es noch früh am Abend ist und lange hell bleibt, möchten wir nach dem Essen zum Oberstockensee, der laut Wegweiser 15 Minuten entfernt liegt. Während wir durch den Wald laufen, hören wir aber bereits erstes Donnergrollen, und als uns ein umgestürzter Baum den Weg versperrt, deuten wir dieses als Zeichen umzukehren. Die Entscheidung kommt keinen Moment zu spät; als wir wieder am Berggasthof angekommen sind, beginnt es zu regnen, und so verbringen wir den restlichen Abend auf dem geschützten Teil der Terrasse.
Der nächste Morgen beginnt so zünftig, wie der Abend geendet hat. Nach der morgendlichen kalten Erfrischung am Waschtrog frühstücken wir in der Gaststube. Übrigens ist es eine nicht ganz zu unterschätzende Angelegenheit sich die Haare mit derartig kaltem Wasser zu waschen…
Das Wetter scheint sich heute von seiner sonnigen Seite zeigen zu wollen und lädt zu einer längeren Expedition ein. Noch überlegen wir, ob wir heute den Strüssligrat zum Stockhorn erwandern oder lieber den Rundweg Cheibehorn – Oberstockensee nehmen. Es ist früh am Morgen, daher beschliessen wir, zunächst am Hinterstockensee vorbei zur Mittelstation Chrindi zu wandern und von dort mit der Seilbahn erneut auf das Stockhorn zu fahren, um die Fernsicht zu geniessen.
Von der Südseite des Bergrestaurants führt ein Stollen auf die Nordseite des Stockhorns mit einer gläsernen Aussichtsplattform. Das Panorama ist auch auf dieser Seite sensationell. Der tiefe und weite Blick richtet sich auf die Stadt Thun, den Thunersee, das Aaretal bis hin zum Jura, dem Elsass und südlichen Schwarzwald. Und es geht noch weiter in die Höhe: Vom Restaurant kann man bis auf den Gipfel steigen und den Rundumblick in alle Himmelsrichtungen geniessen.
Das Wetter in den Bergen ändert sich schnell, die Sonne ist mittlerweile verschwunden, die Berge umhüllen sich mit einer Schicht aus Wolken, und starker Wind kommt auf. Da wir nicht von einem Unwetter überrascht werden wollen, entscheiden wir uns für eine kulinarische Pause im Bergrestaurant. Nach einer Weile beruhigt sich die Wetterlage, so dass wir mit der Gondel zurück zur Mittelstation fahren und uns von dort auf den Rundweg am Cheibehorn begeben.
Die Wanderroute vom Hinterstockensee zum Cheibehorn in Richtung Oberstockensee ist abwechslungsreich, die Flora und Fauna der Region wunderschön und vielfältig. Entlang der Wege wachsen blaue Enziane, weisse Alpenanemonen, gelbe Trollblumen, der Frauenmantel der Alpen, das «Silbermäntelchen» und zahlreiche Schlüsselblumen. Wir passieren währenddessen weitere Alphütten und erreichen schliesslich den Oberstockensee. Auch hier wird geangelt, vor allem Regenbogenforellen und Saiblinge, drei Angler versuchen ihr Glück. Das Wasser ist klar und kalt, in Ufernähe schwimmen zahlreiche kleine Fische einzeln und in grösseren Schwärmen. Grasfrösche und Erdkröten sind hoch aktiv, das Liebesspiel der Amphibien ist im vollen Gange, und Laich umsäumt an verschiedenen Stellen die Uferregion.
Der klare See lädt zum Baden ein, daher suchen wir eine seichte Stelle ohne Amphibienaktivität und tauchen in das kalte Blau ein, zum Schwimmen fehlt uns noch der Mut. Das Wasser ist eiskalt, zugleich aber nach der langen Wanderung wunderbar erfrischend. Kaum wieder bekleidet, ist uns klar, dass wir dieses Erlebnis heute unbedingt noch einmal wiederholen müssen.
Als wir auf der Alp zurückkommen, stellen wir erstaunt fest, dass sich die Anzahl der Übernachtungsgäste seit dem Morgen deutlich gesteigert hat. Drei Paare sowie eine ausländische Filmcrew von sechs Personen werden die Nacht im Berggasthaus verbringen. Die Gastgeberfamilie hat heute für alle gekocht, es gibt einen Salat zur Vorspeise und anschliessend Rösti, Braten und Gemüse; auf Wunsch kann man Nachschlag haben. Das währschafte Essen ist genau das Richtige nach der langen Wanderung.
Erste Müdigkeit macht sich breit, dennoch lockt uns der See zu einem abendlichen Bad. Einige Schwimmzüge schaffen wir, dann dringt die Kälte in den Körper, so dass wir das Wasser schnell wieder verlassen und uns ankleiden. Die abendliche Stimmung am See, die wir auf der Bank in völliger Ruhe und Einsamkeit geniessen, ist magisch und kaum zu beschreiben.
Nach dem Frühstück am nächsten Morgen packen wir unsere Sachen und machen uns ein letztes Mal auf den Weg zum See, um zu schwimmen und Abschied zu nehmen. Anschliessend geht es abwärts in Richtung Mittelstation; der Weg führt uns durch einen märchenhaften Wald, mit teilweise felsigen Abschnitten, aber auch wunderschönen, blühenden Wiesenabschnitten.
Als wir schliesslich mit der Gondel in der Talstation ankommen, haben wir das Gefühl, als wären wir in einer anderen Welt gewesen, entrückt und dennoch geerdet…
Wir sind bislang viel und häufig gewandert, kennen viele verschlungene Wege im südlichen Schwarzwald und waren an besonderen Orten in der Schweiz. Das naheliegende Frankreich haben wir aber noch nie besucht – das soll nun anders werden.
Das schöne Elsass liegt praktisch vor unserer Haustür, und wir werden einige Tage in einem charmanten Chambre d’hôtes in Diebolsheim verbringen. Das kleine Dorf liegt mitten im Elsass zwischen Strasbourg und Colmar im Département Bas-Rhin.
Pierrette und Jean-Luc von «Ambiance Jardin» haben in einer ehemaligen Scheune eines Bauernhauses vier wunderschöne Gästezimmer eingerichtet. Jedes Zimmer ist einer Pflanze gewidmet und entsprechend gestaltet: das mauvefarbene Zimmer der Hortensie, das rote Rosenzimmer, das gelbe Zimmer Feldblume und das grüne Laubzimmer. Wir verbringen die Tage unseres Aufenthalts im gelben Feldblumenzimmer.
Gäste aus der ganzen Welt haben bereits in der Ambiance Jardin ihre Ferien verbracht. Auf dem Flur hängt eine Weltkarte mit Markierungen der Herkunftsorte, wie zum Beispiel Perm in Russland. Zurzeit sind alle Zimmer von Deutschen bewohnt; viele kommen bereits seit Jahren in die kleine Pension.
Alle Gäste werden am Morgen gemeinsam im gemütlichen Frühstücksraum von Pierrette bewirtet. Es gibt Baguette, Früchte, selbstgemachte Konfitüren und Säfte, Käse und Schinken aus der Region, Tee und Kaffee. Die Tische sind jeden Tag anders gedeckt, der Raum ist originell im Vintage-Stil eingerichtet. Harmonisch und phantasievoll wird Altes mit Neuem, Alltägliches und Ausgefallenes kombiniert, so dass das Auge immer wieder schweifen kann.
Vom Frühstückraum geht es über eine von vielen Blumentöpfen und rankenden Pflanzen geschmückte Terrasse in den verwunschenen Garten. Es gibt verschiedene kleine Oasen mit Sitzplätzen, ein Gartenhäuschen, einen offenen Wohnwagen und unzählige Bäume, Sträucher und Pflanzen. Jeden Tag kann man sich ein neues Plätzchen zum Verweilen aussuchen und den zwitschernden Vögeln lauschen. Einzig die zahlreichen und stechfreudigen Mücken sind ein Wermutstropfen.
Pierrettes Leidenschaft ist die englische Gartenkunst, die sich in jedem Winkel ihres Gartens poetisch ausdrückt. Neben einem Wasserspiel, Skulpturen, kleinen und grösseren, an Ästen hängenden Kronleuchtern und Windspielen findet sich an vielen Ecken eine weitere Leidenschaft von Pierrette: Sie sammelt alte metallene Giesskannen in allen möglichen Grössen.
Die Gastgeberin kümmert sich nicht nur um das leibliche Wohl ihrer Gäste am Morgen, sondern hat auch individuelle Tipps für Ausflugsziele, Events und Restaurantempfehlungen in der Region. Für den ersten Abend reserviert sie uns einen Tisch auf der Terrasse des Restaurants «La Couronne» in Scherwiller. Der kleine Ort mit den für die Region typischen Fachwerkbauten liegt an der Elsässischen Weinstrasse, ca. 20 km von Diebolsheim entfernt, und gilt als Hauptstadt des Rieslings.
Das Restaurant befindet sich in einem Fachwerkhaus aus dem 17. Jahrhundert mit grossem Bogenportal und offenem Innenhof. Hier verbringen wir einen genussvollen Abend mit regionalen Speisen: Choucroute, das elsässische Sauerkraut mit Würsten, Speck und Kassler sowie gebackenem Camembert und Bratkartoffeln. Die Portionen sind dermassen gross und reichhaltig, dass wir leider auf ein Dessert verzichten müssen. Auf dem Dach des Restaurants hat ein Storchenpaar sein Nest errichtet und unterlegt die abendlich-romantische Atmosphäre mit dem eigentümlichen Klappern seiner Schnäbel.
Die späten Abende und Vormittage verbringen wir im paradiesischen Garten von Pierrette und Jean-Luc, umgeben von Blumendüften, dem Gesang der Mönchsgrasmücken und quälenden Stechmücken und planen unsere nächsten Ausflüge – Strasbourg und Sélestat.
Von Pierrette bekommen wir die Empfehlung, unser Auto auf einem günstig gelegenen Park & Ride-Parkplatz am Standrand von Strasbourg abzustellen. Vom Haltepunkt «Baggersee» fahren wir mit der Tram für kleines Geld in die Innenstadt von Strasbourg. Am Place de la République steigen wir aus und überqueren die Brücke am Theater. Der Fluss Ill fliesst mitten durch die Stadt, fächert sich in fünf kleine Flussläufe auf und umfliesst die Grand-Île, die grosse Insel, auf der die Innenstadt und das Altstadtviertel von Strasbourg liegen.
Wir lassen uns langsam durch die unzähligen Strassen und Gässchen treiben. Hier gibt es grosse und kleine Läden, Boutiquen, Restaurants, traditionelle «Winstuben» und Bistros. Die Auslagen der Lebensmittel- und Feinkostläden sind verlockend – die Backwaren der Boulangeries, die feinen Gebäcke der Patisseries und die Wurstwaren der Boucheries. Aber letztlich kommen auch wir nicht am Elsässer Flammkuchen, der Tarte flambée vorbei, den wir in einem kleinen Restaurant zu Mittag essen.
Auf dem Place Kléber findet ein Wochenmarkt statt, auf dem Händler Kleidung, Lederwaren, Schmuck und Haushaltwaren verkaufen. Von hier ist es nicht weit zum ehemaligen Gerberviertel «la Petite France», ein Anziehungspunkt für alle Reisende und Besucher Strasbourgs. In diesem Teil Strasbourgs lebten einst die Gerber, Fischer und Müller der Stadt und auch andere Menschen, die wenig Ansehen in der Bevölkerung genossen. In den Innenhöfen und unter den Dächern der Fachwerkhäuser wurden die gegerbten Häute gespannt, üble Gerüche waren allgegenwärtig. In dem Viertel lag auch ein Militärkrankenhaus, in dem Soldaten gegen die Franzosenkrankheit, der Syphilis, behandelt wurde, woraus sich die Namensgebung ableitet: Die Bewohner nannten das Quartier elsässisch «Zum Französel». Heute ist Petite France kein dunkler, unheimlicher Ort mehr. Die charakteristischen Fachwerkhäuser, das Kopfsteinpflaster der Gassen, die kleinen Kanäle und Schleusen vermitteln ein pittoreskes Flair.
Wir besuchen die protestantische Église Saint Thomas auf der Grand-Île. Es ist die zweitgrösste Kirche der Stadt, die als «Kathedrale des elsässischen Protestantismus» bezeichnet wird, da sie von der Rekatholisierung durch Louis XIV. im 17. Jahrhundert verschont blieb. Ihre Wurzeln reichen bis ins 6. Jahrhundert zurück. Englische Mönche errichteten ein Kloster mit kleiner Kapelle zu Ehren des Heiligen Thomas. Im 7. Jahrhundert führte der irische Mönch Florentius die Regeln des Heiligen Benedikts ein, und die Glaubensgemeinschaft erlebte ihre erste Blüte. Die Kirche des Heiligen Thomas ist bekannt für ihre Silbermann-Orgel, auf der bereits Wolfgang Amadeus Mozart spielte sowie eine Chororgel, die nach den Plänen von Albert Schweizer angefertigt wurde.
Weiter geht es zum Wahrzeichen der Stadt, dem Liebfrauenmünster, der Bischofskirche des Erzbistums Strasbourgs. Bereits in der Antike soll hier ein Tempel gestanden haben, im 4. Jahrhundert wurde ein erstes christliches Heiligtum errichtet, der eigentliche Münsterbau erfolgte dann ab dem 12. Jahrhundert. Allein an diesem Ort könnte man Stunden verweilen und die mittelalterliche Baukunst bestaunen: das beeindruckende Hauptportal mit der grossen Fensterrose, das Licht, das die Buntglasfenster im Inneren erleuchtet, der Engelspfeiler und die astronomische Uhr mit ihren reichen Malereien und Skulpturen.
Mittlerweile aber ist der Tag deutlich vorangeschritten, wir sind müde und hungrig nach so viel Geschichte und Erlebtem und beschliessen, auf dem Place du Marché-Gayot, dem «Verbrennte Hof» mit seinen zahlreichen Restaurants und Bars zu Abend zu essen. Später lesen wir, dass der elsässische Name auf das mittelalterliche Judenpogrom hinweist, bei dem die in der Stadt ansässigen Juden lebendig verbrannt wurden – im Jahr 1349 war die gesamte jüdische Gemeinde ausgelöscht.
Die Geschichte des Elsass ist in vielerlei Hinsicht bewegt, anspruchsvoll und schwierig: territoriale Ansprüche, Eroberungen und Rückeroberungen, Reformation und Gegenreformation, Kriege und Revolution. Es gibt römische, gallische, alemannische und fränkische Spuren, und es wird Französisch, Elsässisch und Deutsch gesprochen.
Am nächsten Tag gehen wir in den kleinen Diebolsheimer Bioladen «Au plus près», der Lebensmittel, Getränke und Waren aus der Region verkauft. Wir decken uns mit den wichtigsten Dingen ein und fahren anschliessend weiter nach Wittisheim in «Les Jardin de Gaïa». Die Inhaberin Arlette Rohmer hat das Unternehmen Mitte der 1990er Jahre aufgebaut und vertreibt fair gehandelte biologische Tees und Gewürze. Als Pionierin auf diesem Gebiet engagiert sie sich für eine umweltbewusste Landwirtschaft und fairen Handel und hat den unabhängigen Familienbetrieb zu einer renommierten Marke geführt. Arlette berät uns persönlich zu verschiedenen Tees, wir dürfen sie ansehen und den Duft verkosten. Im «Maison de thé» mit Zen-Garten geniessen wir später einen der Jasmin-Tees, die wir uns ausgesucht haben.
Überall werden wir sehr freundlich empfangen, umso mehr, als wir erzählen, dass wir bei Pierrette wohnen, die weit über Diebolsheim bekannt ist.
Für uns geht es weiter nach Sélestat. Hier haben wir einen Besuch im «Maison du pain» geplant, ein Museum, das die Geschichte des Brotes und des Backhandwerks aufleben lässt. Sélestat oder Schlettstadt beherbergt auch ein ehemaliges Humanistenkolleg mit einer berühmten Bibliothek. An der im Mittelalter bedeutenden Lateinschule wurden zahlreiche renommierte Schüler ausgebildet, wie Heinrich Kramer, genannt Institorius, der Verfasser des «Malleus maleficarum», des Hexenhammers und der Reformator Martin Bucer.
Zwei Kirchen prägen das kleine Städtchen, das als Geburtsort des Weihnachtsbaums gilt: die spätromanische Kirche Sainte-Foy und die gotische Kirche Saint-Georges, in denen wir eine Zeit verweilen. Unmittelbar neben der Kirche Sainte-Foy liegt das kleine Biorestaurant L’Acoustic, das uns von Pierrette empfohlen wurde. Hier verbringen wir den Abend im Freien unter Bäumen mit vegetarischem Essen, Cidre, Biobier und Livemusik – eine junge Frau verzaubert das Publikum mit Gitarrenklängen und Chansons.
Den letzten späten Abend geniessen wir im Garten von Pierrette und Jean-Luc und sind jetzt schon traurig, dass die Zeit so schnell vergangen ist. Gleichzeitig haben wir unendlich viel gesehen und erlebt. Als wir uns am kommenden Morgen nach dem Frühstück von Pierrette verabschieden, wissen wir, dass wir wiederkommen werden. Für den nächsten Sommer haben wir bereits das Rosenzimmer gebucht – vive les vacances!
Matthias hat Geburtstag – wie auch in den vergangenen Jahren, werden wir einen besonderen Tag an einem besonderen Ort verbringen. Was er am Morgen seines Geburtstages noch nicht weiss: Heute geht es ins hohe Gebirge und zwar nach Vals in Graubünden. Vals ist eine Gemeinde in der Region Surselva, in der neben Deutsch und Italienisch Rätoromanisch gesprochen wird. Bekannt ist Vals, zumindest in der Schweiz, für sein Heilwasser aus der St. Petersquelle.
Der Kanton Graubünden liegt im Südosten der Eidgenossenschaft, dementsprechend lang ist die Anreise. Nach knapp vier Stunden kommen wir in Vals an. Allerdings bleiben wir nicht in dem kleinen Bergdorf, das auf 1.252 Metern liegt, sondern begeben uns auf die knapp 600 Meter höhere Hängela Alp. Wir werden dort zwei Tage und zwei Nächte in einer Jurte verbringen.
Im Winter ist die Hängela Alp mit seiner Bergwirtschaft eine Selbstversorgerhütte und nur auf Tourenski oder mit Schneeschuhen zu erreichen. Jetzt aber können wir die schmalen Wege, die sich am Berg anschmiegend hochschlängeln, langsam mit dem Auto erfahren, und zum Glück gibt es einige wenige Parkmöglichkeiten an der Berghütte.
In der Schweiz, v.a. in Graubünden, dem Tessin und Wallis, werden Alp- oder Almhütten auch Maiensäss genannt, weil das Vieh im Mai auf die Alp getrieben wurde. Und auch in der Hängela Alp wird, der Tradition entsprechend, der Saisonbetrieb im Mai aufgenommen. Die Gondeln der Bergbahn Gadastatt hingegen ruhen noch, und nur wenige Wanderer sind unterwegs.
Wir kommen am Nachmittag bei strahlendem Sonnenschein, blauem Himmel und Wattewölkchen auf der Hängela an und werden freundlich in Empfang genommen. Es ist mit knapp 20°C angenehm warm, und wir geniessen auf der Sonnenterrasse erst einmal die Aussicht bei Kaffee und hausgemachtem Kuchen. Der Blick von der Alp ins Tal ist fantastisch. Besonders eindrucksvoll aber ist die umliegende Bergwelt der Adula Alpen. Stolz erhebt sich das Zerfreilahorn, das auch Bündner Matterhorn genannt wird, vor unseren Augen.
Nach dem kühlen Weckruf unter der Dusche gibt es ein zünftiges Frühstück in der Berghütte. Die beiden Schwestern haben alles vorbereitet: Brot, Bündner Fleisch, Schinken, Früchte, Joghurt aus einer Valser Sennerei und das leckere Hängela Rührei; dazu trinken wir Quellwasser und Kaffee.
Da es immer noch neblig ist, legen wir uns nach dem Frühstück wieder in unser immer noch warmes Bett in der Jurte und schauen durch die durchsichtige Kuppel im Dach den schnell dahinwehenden Nebelfetzen zu, bis schliesslich die Sonne doch durchdringt und der Himmel aufklart.
Wir machen uns parat, um von der Hängela Hütte den Berg weiter aufwärts zu wandern. Auf 1.932 Metern gibt es den kleinen Weiler Stafelti mit wenigen bewohnten Hütten. Weiter geht es kontinuierlich bergauf, und wir erreichen die Leisalp auf 2.051 Metern, die noch nicht geöffnet hat. Mittlerweile ist die Sonne wieder verschwunden, es wird grau, windig und kühl. Wir aber wandern weiter aufwärts, sehen wunderschöne blühende Alpenpflanzen: gelbe Trollblumen, wilde Stiefmütterchen, blauer Enzian und Silbermantel, den Frauenmantel der Alpen. Je höher wir wandern, desto weniger Vögel sind zu sehen und zu hören, bis auf einige Alpenkrähen über uns und fellige pfeifende Tierchen, die wieselflink über die Hänge laufen – Murmeltiere.
Die Baumgrenze haben wir schon längst hinter uns gelassen, und die Vegetation ist nun sehr karg. Zunehmend zeigen sich Reste von Schnee und Eis, es wird steiniger und beschwerlicher. Auf dem Weg nach oben sehen wir grosse Steinwälle; am Abend erfahren wir, dass es in den 1950er Jahren ein schweres Lawinenunglück gegeben hatte und die Steinwälle später zum Schutz errichtet wurden. Wir wandern bis zum Ende des Weges und stehen schliesslich vor dem Felsmassiv des Sattelichopfs.
Ab diesem Punkt ginge es für uns nur weiter, wenn wir auf der Sattelilücke, einem schmalen Grat im Fels, durch das Massiv steigen würden. Aber wir sind mit den erklommenen 2.400 Metern zufrieden und finden, dass wir die erste Wanderung des Jahres gut bewältigt haben.
Dieses Jahr kommt der Winter früh. Schon lange ist es kalt, und nun hat es auch endlich geschneit. In den tieferen Lagen ist der Schnee schnell wieder geschmolzen, aber in den Höhenlagen Richtung Schwarzwald bleibt das funkelnde Weiß zum Glück liegen. Also packen wir heute endlich mal wieder unsere Schneeschuhe und fahren nach Höchenschwand. Auf 1.000 Metern ist es kalt genug, dass die Loipen gespurt und die Winterwanderwege freigegeben sind. Der Schnee verwandelt die gesamte Landschaft in ein weisses Wintermärchen. Und obwohl es bedeckt ist und die Sonne sich nicht hervorwagt, zeigen sich die schneebedeckten Gipfel der Alpen imposant mit nahezu 180°-Blick.
Wir kommen auf unseren Schneeschuhen schnell voran, die Bewegung heizt uns ordentlich ein. Schnell hat man sich von allen Spaziergängern entfernt
und ist nahezu alleine unterwegs. Es macht Spass durch den Winterwald zu laufen und die klare, eisige Luft einzuatmen.
Es ist ein nebliger Oktobertag. Dennoch möchten wir heute mit unseren Freunden aus Bielefeld eine Tour im Hotzenwald unternehmen. Mittlerweile haben wir viele schöne Touren unternommen, aber der südliche Schwarzwald bietet noch zahlreiche unentdeckte Schätze und idyllische Wanderwege. Heute werden wir die Ruine Bärenfels oberhalb von Wehr erwandern.
Die Anfänge der ehemaligen Höhenburg, damals noch Steinegg genannt, sind unklar, wahrscheinlich wurde sie im 12. Jahrhundert erbaut. Das grosse Erdbeben von Basel im Jahr 1356 zog die Burg stark in Mitleidenschaft. Im späten 14. Jahrhundert gelangte sie in den Besitz des Basler Rittergeschlechts derer vom Bärenfels, dessen Namen sie fortan trug. Im Dreissigjährigen Krieg wurde die Burg schliesslich vollends zerstört (Wikipedia: Burg Bärenfels.
Als wir in Wehr starten, beginnt sich der Nebel langsam aufzulösen. Vom Parkplatz Forsthaus geht es am Waldrand kontinuierlich bergauf durch den Wald. Wir laufen über vier Kilometer zunächst bis zum Rüttehof. Mittlerweile hat sich das trübe Grau vollständig aufgelöst, und wir können einen strahlend-sonnigen Oktobertag geniessen. Der Anstieg ist nicht stark, aber lang und heizt uns ordentlich ein; zum Glück laufen wir aber die ganze Zeit geschützt unter Bäumen. Am Fischbach sind wir etwas unsicher, wie der weitere Weg verläuft und müssen wir uns einen Moment orientieren, dann aber geht es mit schnellen Schritten weiter Richtung Bärenfels. Das letzte Stück ist noch einmal recht steil, bis wir endlich im Inneren der ehemaligen Burg stehen. Wir machen auf einer Bank im Burghof eine kleine Pause und überlegen noch, ob wir die Steintreppe an der Burgmauer und den Bergfried erklimmen sollten. Irgendwie hatten wir alle genug Steigung in den letzten Stunden. Aber jetzt sind wir so weit gekommen, dass wir uns doch noch aufraffen und vom Bergfried der Ruine mit einem wunderbaren Ausblick über das Wiesental und Schweizer Jura belohnt werden. Wäre der Himmel klarer, hätten wir eine sensationelle Aussicht auf die Schweizer Alpen – heute können wir sie leider nur erahnen. Langsam machen wir uns auf den Weg zurück. Wir sind knapp 12 Kilometer über 500 Höhenmeter gewandert – eine wunderbare Tour, die gut zu bewältigen ist.